1. Einführung
Generell lässt sich sagen, dass der Taoismus auf die Lehre des Lao Tse zurückgeführt werden kann.
Lao Tse (wörtlich übersetzt „der Alte“) hat es möglicherweise als Person gar nicht gegeben, sondern „Lao Tse“ steht für den Begriff „des Weisen“ an sich.
Der Sage nach war Lao Tse ein Zeitgenosse des Konfuzius und im sechsten Jahrhundert vor Christus kaiserlicher Archivar in Loyang in der Provinz Honan.
Während seines ganzen Lebens lehrte er: „Das Tao, das enthüllt werden kann, ist nicht das ewige Tao“.
Als er jedoch – so berichtet die altüberlieferte Legende – bekümmert über die Verhältnisse unter den Menschen in die Einsamkeit ritt, um dort zu sterben, wurde er von einem Grenzhüter im nordwestlichen China überredet, seine Lehre für die Nachwelt niederzuschreiben.
So entstand also das „Tao Te King“. Doch was bedeutet das nun?
Nach einer Interpretation von Richard Wilhelm, heißt Tao – direkt übersetzt – Weg- oder im weiteren Sinne- Sinn-, Te – Leben und King – steht für Buch.
Man könnte also das „Tao Te King“ mit „das klassische Buch vom Sinn und vom Leben“ übersetzen.
Die Essenz des Taoismus liegt demzufolge in den 81 Kapiteln dieser Überlieferung, die 2500 Jahre lang einen der hauptsächlichen und grundlegenden Einflüsse innerhalb der chinesischen Gedankenwelt und Kultur darstellte und auch in Sprichwörtern und Volksgut zutage tritt.
Während der Konfuzianismus an alltäglichen Verhaltensmaßregeln interessiert ist, beschäftigt sich der Taoismus mit einer mehr spirituellen Seinsebene.
Shu Er 7.22, Konfuzius sprach: „Wenn ich mit drei Menschen zusammen wandere, kann immer einer von ihnen mein Lehrer sein: Denn was ich Gutes an ihm erkenne, wähle ich für mich aus, und was ich an ihm nicht gut finde, das ändere ich.“
Der Taoismus war ursprünglich eine Philosophie, eine ethische Weltanschauung und keine Religion und gänzlich undogmatisch.
Später entwickelte er sich dann auch zur Volksreligion. Die taoistische Philosophie hielt aber auch Einzug in der westlichen Kultur und Literatur, beispielsweise beeinflusste sie Berthold Brecht oder Hermann Hesse.
Der Taoismus fand nach und nach Eingang im Buddhismus.
Jener versuchte lange Zeit versuchte Fuß in China zu fassen. Im Gegenzug reicherte sich im Taoismus die Indische Bilderwelt an.
„So bevölkerte sich das leere Pantheon schnell mit einer Unzahl von Göttern und Unsterblichen.“ (Die Gärten Chinas, S. 98)
Jedoch erst als der Buddhismus wesentliche Praktiken und Gedanken der taoistischen Lehre übernahm, wuchs auch seine Anhängerschaft. In den Zen Buddhismus ging die taoistische Lehre ein und wurde so bis nach Japan und Vietnam weitergegeben.
2. Das Tao
Nun also zum Unaussprechlichem, dem Tao. Was mag man denn nun genau darunter verstehen?
Ich habe bereits eine Übersetzungsmöglichkeit genannt:
Tao als Weg oder Sinn.
Doch eigentlich wird dies dem Tao in keiner Weise gerecht, da dieses ja eigentlich nicht benennbar ist.
Viel wichtiger ist es, dass das Tao im täglichen Sein erleb- und erfühlbar ist. Tao begegnet uns in der Natur und im Alltag. Es ist in uns und umgibt uns.
Lao Tse in seinem ersten Vers über das Tao: „Das Tao, das enthüllt werden kann, ist nicht das ewige Tao. Der Name, der genannt werden kann, ist nicht der ewige Name.
Das Namenlose ist das Beginnen von Himmel und Erde.
Das Benannte ist die Mutter der zehntausend Dinge.
Stets ohne Wunsch, sieht man das Geheimnis. Stets voller Wünsche, sieht man die Erscheinungsformen.
Diese beiden entspringen der gleichen Quelle, unterscheiden sich jedoch im Namen: dies erscheint dunkel. Das Dunkle inmitten von Dunkelheit. Das Tor zu allem Geheimnis.“
Man kann das Tao also als ein Wirkungsprinzip verstehen, das die Einheit hervorbringt. Die Einheit bringt auch immer eine Dualität hervor
( Yin und Yang), die wiederum die Drei entstehen lässt, aus welcher dann schlussendlich die manifestierte Welt der zehntausend (= aller) Dinge hervorgeht.
Wie nun wird uns das Tao aber erfahrbar?
Hierzu ein Zitat (aus: Die Gärten Chinas, von Marianne Beuchert)
„Das Tao ist das Schöpferische und verursacht die in Allem innewohnende Bewegung, die aber nur in ruhender Betrachtung erfühlt werden kann.
Daher stehen Stillewerden und Meditation am Anfang aller taoistischen Übungen.“ So kann einem zum Beispiel bei der stillen Betrachtung der Flamme einer Kerze oder eines Bachlaufes das Tao ganz nahe werden.
3. Das Prinzip des Wu Wei
„Wu Wei“, dieser Begriff taucht auch oft in Zusammenhang mit Taoismus auf. „nicht handeln“ wenn man es wörtlich übersetzt. Das wäre aber nicht ganz korrekt, denn es meint eher das Handeln zur rechten Zeit und nicht das Handeln gegen die Natur und natürlich auch nicht ständige Betriebsamkeit, die die Instinkte für das Richtige unterdrückt.
Taoist sein heißt also nicht Fatalist sein! Und sich in alles fügen!
Sondern es heißt, einen günstigen Moment der Überwindung eines Hindernisses abwarten und Hindernisse gelassen betrachten!
Oder anders ausgedrückt: Einerseits in das Schicksal einfügen aber andererseits auch den Mut haben die Gefährlichkeit des Lebens anzuerkennen und gelassen zu bestehen.
Hierzu Vers Dreiundvierzig in: „Tao Te King“:
„Das allerweichste im Universum überwindet das Allerhärteste im Universum. Was ohne Form ist, kann eindringen, wo kein Raum ist.
Daher weiß ich um den Wert des Nicht-Handelns. Lehren ohne Worte und Wirken ohne Tun Werden nur von sehr wenigen verstanden.“
Um dieses Prinzip mit einem Beispiel zu verdeutlichen, stellt man sich am besten eine Weide vor, die sich auch beim stärksten Wind geschmeidig biegt ohne auch nur den kleinsten Ast zu verlieren.
Die starre Fichte hingegen, mit ihrer so gewaltigen Statur, wird beim Sturm keinen Meter ausweichen, sondern mit all ihrer Kraft gegen den Wind „stemmen“. Das Ergebnis: sie wird brechen.
Ich denke hieran lässt sich gut erkennen, was das Prinzip des Wu Wei bedeutet, bzw. auch wie die entgegen gesetzte starre Position letztendlich zum Scheitern verurteilt ist.
Die Lehre Lao Tses befand sich in gewissen Widerspruch zu den frühen magischen Tierkulturen der Zhou –Dynastie an deren Ende sie begann.
Der wesentliche Widerspruch der neuen Lehre zu diesen alten Kulten war, dass das Schwache das Starke besiegt.
Dieses Prinzip „gibt dem nur scheinbar Schwachen den Mut zur Gelassenheit und Selbstvertrauen und mäßigt die Starken ihre Kräfte nicht über Gebühr zu strapazieren.“ Noch ein paar Zitate, die, wie ich finde, gut zum Tai Chi passen:
Dreiundsiebzig: „… Das Tao des Himmels kämpft nicht, und doch überwindet es. Es spricht nicht, und doch wird ihm geantwortet. Es bittet nicht, doch wird es mit allem Nötigen versorgt. Es erscheint mühelos, und doch folgt es einem Plan. … „
Sechundsiebzig: „Ein Mensch kommt zart und nachgiebig zur Welt. Bei seinem Tode ist er hart und starr. Frische Pflanzen sind weich und voller Lebenssaft. Bei ihrem Tode sind sie verdorrt und trocken.
Daher ist das Starre und Unbeugsame der Schüler des Todes.
Das Weiche und Nachgiebige ist der Schüler des Lebens. So gewinnt eine Armee ohne Wendigkeit niemals eine Schlacht. Ein Baum, der unbiegsam ist, wird leicht gebrochen. Das Harte und Starke wird vergehen. Das Sanfte und Schwache wird andauern.“
Quellen:
Lao Tse: Tao Te King, übersetzt von Richard Wilhelm, Köln/München, 1978 Marianne Beuchert, Die Gärten Chinas, Frankfurt am Main, 1998
Mögling, Barbara und Klaus, Handbuch für Tai Chi Chuan und Körperarbeit, Aachen, 1998